Samstag, 28. November 2009

Ein Weihnachtsgedicht...

Vom Himmel bis in die tiefsten Klüfte
ein milder Stern herniederlacht;
vom Tannenwalde steigen Düfte
und kerzenhelle wird die Nacht.

Mir ist das Herz so froh erschrocken,
das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken,
in märchenstiller Herrlichkeit.

Ein frommer Zauber hält mich nieder,
anbetend, staunend muß ich stehn,
es sinkt auf meine Augenlider,
ich fühl's, ein Wunder ist geschehn.

(Theodor Storm)

Mittwoch, 24. Juni 2009

Gott als Hebamme

Manche Bilder der Klagepsalmen sind besonders eindrücklich. In Psalm 22 wird Gott als Hebamme beschrieben. Der Beter klagt zunächst über seine gefühlte Gottverlassenheit. Er scheint hin- und hergerissen, seine Gedanken schweifen von seinem Unglück immer wieder hin zu Gott, den er als vertrauenswürdig erfahren hat. "Vertrauen" und "Mutterleib" klingen im Hebräischen sehr ähnlich.
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Fern von meiner Rettung sind die Worte meines Gestöhns. 3 Mein Gott, ich rufe bei Tage, und du antwortest nicht; und bei Nacht, und mir wird keine Ruhe.
4 Doch du bist heilig, der du wohnst unter den Lobgesängen Israels.5 Auf dich vertrauten unsere Väter; sie vertrauten, und du rettetest sie. 6 Zu dir schrien sie um Hilfe und wurden gerettet; sie vertrauten auf dich und wurden nicht zuschanden.7 Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, ein Spott der Leute und verachtet vom Volk. 8 Alle, die mich sehen, spotten über mich; sie verziehen die Lippen, schütteln den Kopf: 9 "Er hat es auf den HERRN gewälzt, der rette ihn, befreie ihn, denn er hat ja Gefallen an ihm!" 10 Ja, du bist es, der mich aus dem Mutterleib gezogen hat, der mir Vertrauen einflößte an meiner Mutter Brüsten. 11 Auf dich bin ich geworfen von Mutterschoß her, von meiner Mutter Leib an bist du mein Gott.
(Rev. Elberfelder Übersetzung)

Donnerstag, 18. Juni 2009

Milchschaum, Eschatologie und Ethik

Neulich hörte ich von einem Redakteur, der "unsere" Generation als eine Generation bezeichnet, die glücklich und zufrieden ist und auf Protest und Engagement gerne verzichtet, solange sie nur ihren Espresso mit Milchschaum schlürfen kann. Unabhängig davon ob diese Aussage zutrifft, gibt sie mir Anlass, erneut über "politische Theologie" nachzudenken. Man sagt ihr nach, sie habe die Eschatologie für die Ethik entdeckt.

Der Gedanke ist folgender: Nehmen wir z.B. den Vers: "Er wird abwischen alle Tränen und der Tod wird nicht mehr sein...". Eine wundervolle Verheißung, die in mir die Sehnsucht nach Gottes neuer Welt weckt.
Vertreter einer politischen Theologie würden das genauso sehen, aber nun sagen, dass eben gerade diese Verheißung Folgen für unser Handeln als Christen haben sollte. Konkret: Wenn wir auf eine Welt hoffen, in der es keine Tränen mehr gibt, sollten wir dann nicht schon jetzt gegen alles kämpfen, das uns und andere traurig macht!?

Spannend finde ich, dass hier christliches Handeln mal nicht im Rahmen der Rechtfertigungslehre bedacht wird (mit all den Assoziationen die damit verbunden sind: Werkgerechtigkeit, billige Gnade, tertius usus legis, etc.). Stattdessen steht hier die Eschatologie im Vordergrund.

Montag, 15. Juni 2009

Schlicht und ergreifend II

Καταβάντος δὲ αὐτοῦ ἀπὸ τοῦ ὄρους ἠκολούθησαν αὐτῷ ὄχλοι πολλοί. καὶ ἰδοὺ λεπρὸς προσελθὼν προσεκύνει αὐτῷ λέγων·
κύριε, ἐὰν θέλῃς δύνασαί με καθαρίσαι.

καὶ ἐκτείνας τὴν χεῖρα ἥψατο αὐτοῦ λέγων·

θέλω,
καθαρίσθητι

(aus Mt 8)

Donnerstag, 11. Juni 2009

Kirche, Kaffee und Corporate Identity

Schon das Logo in weiter Ferne weckt Glücksgefühle. Der Duft von frisch gemahlenen Kaffeebohnen kommt einem entgegen sobald man die Tür öffnet. Im Hintergrund läuft Jazzmusik. -- Ein Besuch bei Starbucks.  
Im Starbucks selbst ist es voll. In bequemen Sesseln sitzen Leute, die sich angeregt unterhalten. An der Kasse stehen 20 Personen, die ebenso sehnsüchtig wie geduldig darauf warten ihre Kaffeebestellung aufgeben zu dürfen.  

Es ist schon verrückt. Da warten Leute auf ihren 4,40 Euro teuren Kaffee, der ihnen nicht einmal an den Platz gebracht wird... Und trotzdem lieben sie Starbucks. Das Mission (!) Statement von Starbucks lautet: "Wir möchten Menschen Tasse für Tasse und in jeder Umgebung inspirieren und fördern." Mission accomplished, denkt der leidenschaftliche Kaffeetrinker.

Warum gelingt es einer Kaffee-Kette ihren Kaffee so brilliant zu vermarkten? Und: Wenn Kaffee derart anziehend wirkt, wie attraktiv müssten dann unsere Kirchengemeinden sein, wenn wir doch viel Besseres zu bieten haben?    

Wäre es nicht toll, wenn jemand in weiter Ferne einen Kirchturm sähe und das gleiche empfinden würde wie der Tourist, der in einer fremden Stadt überraschend ein Starbucks entdeckt?
Statt zu sagen "Hier habe ich den besten Kaffee meines Lebens getrunken" könnte der Gottesdienstbesucher denken: "Hier bin ich Gott begegnet." Wäre das nicht viel schöner?

Ich glaube, es ist wesentlich leichter Kaffee zu verkaufen als dafür zu sorgen, dass das Evangelium auch ankommt. Trotzdem sollten wir nicht aufhören zu fragen, wie wir Kirche attraktiver gestalten können.  

Mt 5, 13 „Ihr seid so wichtig, wie Salz wichtig ist für diese Welt. Ohne euch würde nichts mehr richtig schmecken und ohne euch würde auch alles Gute uncool sein. Das ist so: ihr seid wie ein Kühlschrank für diese Welt, denn ohne euch würde alles vergammeln. Aber wenn Salz lasch geworden ist und nicht mehr salzt, und ein Kühlschrank kaputt ist und nicht mehr kühlt, gehört beides auf den Müll, damit es dort restlos entsorgt wird. 14 Auch sehe ich euch wie ein helles Licht in dieser Welt. Wenn eine Stadt oben auf einem Berg liegt, kann man ihre Beleuchtung nachts ja auch noch kilometerweit sehen. 15 Wenn du dir eine Lampe für dein Zimmer besorgst und sie nachts anmachst, dann stellst du sie doch auch nicht unters Bett. Ganz im Gegenteil, du stellst sie dahin, wo man sie auch sehen kann und sie alles beleuchtet! 16 Genauso soll auch euer Licht für alle Menschen sichtbar sein. So wie ihr lebt und an eurer Einstellung, daran sollen sie euren Vater im Himmel erkennen und von ihm begeistert sein.“ Matthäus 5, 13-16 nach der Volxbibel

Mittwoch, 10. Juni 2009

Veränderungen (?)

In den letzten 30 Jahren hat es in den amerikanischen Gemeinden zahlreiche Veränderungen gegeben:

Aus der "sermon" wurde eine "message". Die "liturgy" wurde durch ein "program" ersetzt, so dass ein "programming team" her musste. 
Die Kanzel wurde durch einen kostengünstigeren Notenständer ersetzt, sodass sich der Prediger dynamisch durch den Raum bewegen oder sich lässig auf einen Barhocker setzen konnte. 
Aus der Kirchenbank wurde ein bequemer KinosesselDie Orgel und das Klavier wurden durch ein "worship team" abgelöst. Und der "projector", nur in Deutschland nennt man ihn übrigens "Beamer", hat das Gesangbuch schon lange abgelöst. Erzählt man einem Amerikaner von Predigtkasetten, findet er das höchst-kurios, wenn nicht lächerlich, denn schon lange haben MP3s die Predigt-Kasetten ersetzt. 

Viele Veränderungen also. Aber sind das überhaupt Veränderungen?

Die meisten FEGs folgen dem Paradigma eines amerikanischen, zeitgenössischen Gottesdienstes ("contemporary service"). Auch landeskirchliche Gemeinden bieten sog. Zweitgottesdienste an oder versuchen moderne Elemente zu integrieren ("blended worship").

Früher dachte ich, dass gerade in der Modernität die Lösung für eine Erneuerung des Gottesdienstes steckt. Heute denke ich: Nicht die Form bringt die Veränderung, sondern der Zugang. Erst wenn die Menschen einen persönlichen Zugang zur Predigt bekommen, kann sie einen Menschen ansprechen und verändern. 
Da nur ein Bruchteil der Menschen einen Zugang zu unseren Gottesdiensten hat, brauchen wir Gottesdienst-re-formen. Welche Form (ob modern, traditionell oder irgendwo dazwischen), ist dabei aber nicht entscheidend. 

Samstag, 6. Juni 2009

Theologie der Hoffnung


Heute habe ich mich mit "Politischer Theologie" befasst.  Politische Theologie ist eine Denkrichtung, die in den 60er Jahren entstanden ist. Sie verweist auf den engen Zusammenhang von Dogmatik und Ethik und will weg von der der Orthodoxie hin zur "Orthopraxie" (Moltmann). Es geht ihr um die Relevanz der Theologie für die Gesellschaft. Glaube wird als eine verändernde Kraft und Macht gesehen.  Einer der bekanntesten Verfechter einer Politischen Theologie ist Jürgen Moltmann. Besonders eindrücklich finde ich Jürgen Moltmanns "Theologie der Hoffnung". Was er sagt, ist auch heute noch brandaktuell und kann wichtige Impulse für eine Kirche außerhalb der Kirchenmauern geben. Moltmann beginnt seine "Theologie der Hoffnung" (1964) mit diesen Worten:

Man nannte lange Zeit die Eschatologie die "Lehre von den letzten Dingen" oder die "Lehre von dem Letzten". [...] In Wahrheit aber heißt Eschatologie die Lehre von der christlichen Hoffnung, die sowohl das Erhoffte wie das von ihm bewegte Hoffen umfasst. Das Christentum ist ganz und gar und nicht nur im Anhang Eschatologie, ist Hoffnung, Aussicht und Ausrichtung nach vorne, darum auch Aufbruch und Wandlung der Gegenwart. (S. 11) 
Er bezeichnet Resignation und Hoffnungslosigkeit als Sünde der Verzweiflung: 
Gott hat den Menschen erhöht und ihm Aussicht ins Freie und Weite geschenkt, aber der Mensch bleibt zurück und versagt sich. Gott verheißt eine Neuschöpfung aller Dinge in Gerechtigkeit und Frieden, aber der Mensch tut so, als wäre und bliebe alles beim Alten. Gott würdigt ihn seiner Verheißungen, aber der Mensch traut sich das nicht zu, was ihm zugemutet wird. Das ist die Sünde, die den Glaubenden zutiefst bedroht. Nicht das Böse, das er tut, sondern das Gute, das er unterlässt, nicht seine Untaten, sondern seine Versäumnisse klagen ihn an. Sie klagen ihn des Mangels an Hoffnung an. Denn diese sogenannten Unterlassungssünden gründen allemal in Hoffnungslosigkeit und Kleinglauben. "Nicht so sehr die Sünde stürzt uns ins Unheil als vielmehr die Verzweiflung", sagte Johannes Chrysostomos. Darum zählte das Mittelalter die acedia oder tristitia unter die Sünden wider den heiligen Geist, die zum Tode führen. (S.18)
An anderer Stelle (S.17) wird die Protesthaltung dieser "protestantischen" Theologie deutlich: 

Darum macht der Glaube, wo immer er sich zur Hoffnung entfaltet, nicht ruhig, sondern unruhig, nicht geduldig, sondern ungeduldigt. Er besänftigt nicht das cor inquietum, sondern ist selber dieses cor inquietum im Menschen. Wer auf Christus hofft, kann sich nicht mehr abfinden mit der gegebenen Wirklichkeit, sondern beginnt an ihr zu leiden, ihr zu widersprechen. Frieden mit Gott bedeutet Unfrieden mit der Welt, denn der Stachel der verheißenen Zukunft wühlt unerbittlich im Fleisch jeder unerfüllten Gegenwart... Diese Hoffnung macht die christliche Gemeinde zu einer beständigen Unruhe in menschlichen Gesellschaften, die sich zur "bleibenden Stadt" stabilisieren wollen. Sie macht die Gemeinde zum Quellort immer neuer Impulse für die Verwirklichung von Recht, Freiehit und Humanität hier im Lichte der angesagten Zukunft, die kommen soll. Diese Gemeinde ist verpflichtet zur "Verantwortung der Hoffnung", die in ihr ist  (1.Petr 3,15).
Jetzt die große Frage: Was heißt das für uns heute? Any ideas?

Freitag, 5. Juni 2009

Calvins Doxologie äh Theologie: Das Dreifache Amt Christi


Ich habe es schon immer gedacht. Liest man Johannes Calvins Institutio (mal ganz untheologisch und unkritisch) fühlt man sich in ein Lobpreiskonzert versetzt. Calvin verweist auf Gott in seiner Souveränität, Majestät und Herrlichkeit. 

Dies zeigt sich auch in seiner Lehre vom Dreifachen Amt Christi - Christus als Priester, König und Prophet (Institutio II,15). Es geht ihm darum den "Namen Christi" zu "füllen". Explizit redet er davon, dass jedes dieser Ämter eine "Lobpreisung" sei. 

Ich frage mich mal wieder: WWLS? What would Luther say? Käme ihm Calvins Darstellung zu triumphalistisch vor? Würde er sich daran stoßen, dass das königliche Amt ausführlich dargestellt wird, das priesterliche Amt aber nur kurz?

Mir jedenfalls gefällt die Lehre vom Dreifachen Amt. W.Härle hat mich in einer Prüfung mal auf den korrigierenden Charakter dieser Lehre hingewiesen. Als ich in einer Christologie-Prüfung vorwiegend von Kreuz und Auferstehung sprach, meinte er etwas wie: "Sie beschreiben Christus als König und Priester aber vergessen den Aspekt seiner (prophetischen) Verkündigung".  

Den Text der gesamten Institutio findet ihr hier: www.calvin-institutio.de

Montag, 1. Juni 2009

Was ist Theologie?

"Wir können's ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben." (Die Bibel, Apostelgeschichte, Kapitel 4, Vers 20.)

Theologie ist Rede von Gott. Als solche ist sie immer eine sehr individuelle, persönliche Angelegenheit. Wir sind ja keine Religionswissenschaftler, sondern reden aus einer Binnenperspektive heraus von Gott... 

Wir reden von Gott und kommen aus einem ganz eigenen Hintergrund. Wir mögen uns pietistisch, charismatisch, katholisch, evangelisch, konservativ oder liberal nennen. Dahinter stehen aber doch individuelle Erfahrungen, die uns zu diesen Kategorien verleitet haben. 

Selbst wenn theologische Gedanken noch so wissenschaftlich und objektiv formuliert werden: Hinter den meisten theologischen Diskussionen stehen sich widerstrebende biographische Erfahrungen. Und hinter jedem "Kanon im Kanon" steckt die eigene einzigartige Persönlichkeitsstruktur des "Theologen". Theologie ist darum nie trockene Rede über Gott, sondern eine Rede von der Offenbarung Gottes in unserem Leben. Das macht Theologie zum Glaubenszeugnis und lässt uns zustimmen: "Wir können's ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben."

Mittwoch, 27. Mai 2009

"Ernstlich Reden" - Die Klagepsalmen

"Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?" (Ps 22,2)

Diese Frage ist paradox, weil sie sich an Gott richtet. Der Beter beklagt die Abwesenheit Gottes, obwohl er sich genau an diesen angeblich Abwesenden wendet. Wie ist das zu erklären?
Christoph Markschies fasste in Worte, was viele schon längst gedacht hatten: Alle Klagepsalmen sind von einem Motiv des Vertrauens geprägt. Dieses Motiv sei das Grundmotiv der Psalmen schlechthin. Gerade in der Verlassenheitsklage drücke sich diesen Vertrauen aus.
- Im Prinzip hat Herr Markschies recht. Nur: Ich frage mich, ob die gefühlte Gottverlassenheit damit nicht klein geredet wird. Wäre es nicht vorstellbar, dass heutzutage ein Trauernder eine ähnliche Frage formuliert? Man kann manchmal in Todesanzeigen lesen: "XY, warum musstest du so früh von uns gehen?". Damit wird nicht mit einem Toten kommuniziert, sondern die Aussage hat den alleinigen Zweck, die Klage (das Gefühl der Trauer) zum Ausdruck zu bringen.
Ich glaube, wir müssen aufpassen, dass wir die Gefühle, die sich in den Psalmen ausdrücken nicht nivellieren. Die Psalmen sind literarisch gesehen wunderschön formuliert, aber dahinter vermute ich eben keine stilisierten, sondern echte Erfahrungen. Ebenso echt wie die gefühlte Gottverlassenheit, ist dann auch die plötzlich erfahrene Gottesnähe: "- Du hast mich erhört" (Ps22, 22).
Noch einmal: Natürlich sehe und bewundere ich die Psalmen auf literarischer Ebene, aber ich denke, dass sich hinter den Aussagen durchaus echte Erfahrungen und Gefühle verbergen. Luther meinte, dass gerade die schwierigen Erfahrungen des Lebens einem lehren "mit Ernst" zu reden:

Denn ein menschlich Herz ist wie ein Schiff auf dem wilden Meere, welches
die Sturmwinde von den vier Orten der Welt treiben ... Solche Sturmwinde aber
lehren mit Ernst reden und das Herz öffnen und den Grund herausschütten ... Was
aber ist das meiste im Psalter, denn solch ernstlich Reden in allerlei solchen
Sturmwinden? Wo findet man feinere Worte von Freuden, als die Lobpsalmen oder
Dankpsalmen haben?

M.Luther, Vorrede zum Psalter (1528), WA.DB
10,1,101f.


Samstag, 23. Mai 2009

Tauffest

Im niedersächsischen Loccum werden "Tauffeste" veranstaltet - eine spannende Idee! Ausschlaggebend war der Gedanke, dass längst nicht mehr alle Kinder getauft werden. Dies liegt sicherlich auch daran, dass die Taufe heute häufig mit einem Familienfest assoziiert wird. Zerbricht die Ehe/Partnerschaft der Eltern oder können sich die Eltern ein Fest finanziell nicht leisten, kann dies zu einem Grund werden, sein Kind nicht taufen zu lassen. Das sollte nicht so sein! 

In Loccum werden Eltern deren Kinder noch nicht getauft wurden, angeschrieben und zu einem Vorbereitungstreffen eingeladen. Später gibt es dann ein großes Tauffest. Es gibt eine Führung zu 8 verschiedenen Tauforten, von denen sich der Täufling dann einen Ort aussuchen kann. Zusammen wird dann gefeiert. Den Abschluss bildet ein Gottesdienst, bei dem noch einmal alle zusammenkommen. 

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Bei den letzten zwei Tauffesten ließen sich 108 (!) Kinder taufen. 108! -viele von ihnen wären ohne ein Tauffest wohl nie getauft worden.  

Auch wenn ich über das Ergebnis nur staunen kann, regen sich einige theologische Vorbehalte in mir: Wird Taufe da nicht zu einem Erlebnis, dessen Bedeutung im Event untergeht? 

Aber dann denke ich: Meine Erfahrung ist, dass die Mehrheit der "gläubigen" Christen in Deutschland bereits als Kinder getauft wurden. [Manche davon nehmen ihren Glauben so ernst, dass sie sich ein zweites Mal taufen lassen wollen, was m.E. gar nicht notwendig gewesen wäre.] Fest steht: Diejenigen die ihr bewusstes "Ja" zu Jesus Christus gegeben haben, sind oft schon früh in den Kindergottesdienst oder die Jungschar gegangen... 

Was wäre, wenn von diesen 108 Kindern aus Loccum vielleicht nur 20, 30 oder 40 später ihr "Ja" zur Taufe geben würden? Was wäre, wenn auch nur einige von ihnen in den Kindergottesdienst oder die Jungschar kämen und schon früh von Jesus etwas erfahren würden? Wenn sie in ihre Taufe "hinkriechen" könnten?
Vielleicht werden sich auch manche von ihnen erst im Alter von 80 oder 90 an den Konfiunterricht zurückerinnern, sich noch einmal auf "die Suche" machen und erst spät in ihrem Leben ihr "Ja" zu Jesus finden. Hätte sich dann selbst bei einem Kind das Tauffest nicht schon gelohnt? Diese Gedanken lassen mein Herz schneller schlagen...

Näheres über das Tauffest erfahrt ihr hier: 
http://kirche-im-aufbruch.ekd.de/praxis/projekt_des_monats/10036.html

Donnerstag, 21. Mai 2009

Schlicht und Ergreifend


Manche Stellen in der Bibel sind schlicht und ergreifend:

"Und [die Emmausjünger] nötigten ihn und sprachen: 

Bleibe bei uns; denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt.
Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben."

Die Bibel, Lukasevangelium, Kapitel 24, Vers 29

Anfragen an Carl Rogers und seine Rezeption in der evangelischen Seelsorgelehre

Gerne darf diese Liste ergänzt oder korrigiert werden... Über euer Feedback bin ich sehr dankbar!

1. Ist die pastoralpsychologische Rezeption nicht zu vereinfacht? Sollte man ekklektisch Gesprächsregeln übernehmen?
2. Liegt nicht bei den Regeln Wertschätzung und Emphatie die Gefahr einer Technisierung nahe, die der Regel "Echtheit" widerspricht?
3. Ist Rogers Anthropologie nicht zu optimistisch? Kann der Mensch sich selber helfen? Wie steht Rogers Menschenbild im Verhältnis zum extra nos und zur christlichen Sündenlehre?
4. Was macht eine Seelsorge, die sich primär an der Gesprächspsychotherapie orientiert zur evangelischen Seelsorge?
5. Darf die Gesprächsführung in der Seelsorge non-direktiv sein? Wird hier der Seelsorger nicht mundtot gemacht?
6. Führt die Empathievorstellung Rogers nicht einer zu großen Nähe zum Klienten? Wie kann eine professionelle Distanz des Therapeuten gewahrt bleiben?

Carl Rogers (1902-1987) und seine Rezeption in der evangelischen Seelsorge

Ich möchte mich in meiner mündlichen Prüfung im Bereich Seelsorge mit dem Thema "Carl Rogers und seiner Bedeutung für die evangelische Seelsorge" befassen: Zunächst möchte ich kurz seine Therapieform beschreiben und im nächsten Blogpost eine Reihe von Anfragen äußern. Über euer Feedback zu Rogers wäre ich sehr dankbar!

Doch zunächst die Beschreibung: Carl Rogers ist Begründer der Klienten-Zentrierten-Gesprächstherapie (auch Personenzentriert oder einfach Gesprächspsychotherapie genannt). Therapie ist nach diesem Modell ganz auf den Ratsuchenden und dessen Gefühle konzentriert. Sie ist darum nicht-direktiv, d.h. der Therapeut wird keinerlei Wertungen vornehmen und keine Ratschläge erteilen.

Besonders häufig wurde in der Seelsorgelehre auf die Beziehung zwischen Klient und Therapeut hingewiesen. Dabei gibt es Grundwerte:

a) Echtheit: Der Therapeut darf keine Fassade aufbauen, es ist wichtig, dass er authentisch bleibt.
b) Wertschätzung (bedingungslose Zuwendung ohne jegliche Wertung des Gesagten)
c) Empathie (einfühlendes Verstehen): Rogers schlägt vor, dass der Therapeut sich in die Situation des Klienten derart hineinversetzt, dass er so sehr mitfühlt, dass er eine Zeitlang in der Gefühlswelt des Klienten lebt.  

Rogers benutzt die Technik des "Spiegelns" ("mirroring"). Würde zu ihm jemand sagen: "Ich bin krank", könnte er z.B. entgegen "Sie sind krank?".  Ist jemand verärgert, würde er sagen: "Ich sehe Sie Sie sind verärgert...". Es lohnt sich dieses Spiegeln mal bei jemanden auszuprobieren. Selbst mit vorheriger Absprache, wird sich der andere zutiefst verstanden fühlen... ;)

Das untenstehende Video zeigt Carl Rogers mit seiner Klientin Gloria. Danke, youtube!

Samstag, 16. Mai 2009

Von der Klage zum Dank - die Psalmen

In keinem anderen Buch habe ich so oft gelesen wie in den Psalmen. Im Rahmen meines Examens darf ich mich jetzt intensiv damit beschäftigen. Eines meiner Schwerpunktthemen sind die Klagepsalmen des Einzelnen. Zumindest dachte ich das. "Dazu gehören auch die Danklieder des Einzelnen!", mahnte mein Prüfer. Darauf hätte ich auch selbst kommen können, denn der ganze Psalter hat die Tendenz von der Klage zum Lob zu führen - Klage und Lob gehören zusammen. 

Manchmal kommt der Umschwung von der Klage zum Lob so unvermittelt, dass man sich nur wundern kann. Nachdem es in Psalm 22 in Vers 1 noch hieß "Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?",  heißt es plötzlich: "Du hast mich erhört." (Ps 22,22).  

Heute durfte ich selber erfahren wie Gott mir aus der Patsche geholfen hat. Die von mir am meisten gefürchtete Klausur hatte mein absolutes Wunschthema zur Aufgabe. Und das nachdem ich mir viele Sorgen gemacht hatte... Gott führt aus der Klage heraus. Manchmal ganz plötzlich. Manchmal allmählich.  Man kann Gott vertrauen - auch heute (noch). 



Sonntag, 3. Mai 2009

Die Psalmen

In den nächsten Wochen werde ich hin- und wieder etwas über die Psalmen bloggen. Bernd Janowski hat in seinem Reader zur Psalmenvorlesung eine Zitatensammlung vorgelegt, die ich hier zur Einstimmung wiedergeben möchte:
Ich bin der Ansicht, dass in den Worten dieses Buchs das ganze menschliche Leben, sowohl die geistlichen Grundhaltungen als auch die jeweiligen Bewegungen und Gedanken umfasst und enthalten sind.
Athanasius von Alexandrien (295-373), Brief an Marcellinus

Denn ein menschlich Herz ist wie ein Schiff auf dem wilden Meere, welches die Sturmwinde von den vier Orten der Welt treiben ... Solche Sturmwinde aber lehren mit Ernst reden und das Herz öffnen und den Grund herausschütten ... Was aber ist das meiste im Psalter, denn solch ernstlich Reden in allerlei solchen Sturmwinden? Wo findet man feinere Worte von Freuden, als die Lobpsalmen oder Dankpsalmen haben?
M.Luther, Vorrede zum Psalter (1528), WA.DB 10,1,101f.

Nicht ohne Grund pflege ich dieses Buch eine Anatomie aller Teile der Seele zu nennen, da niemand eine Gemütsbewegung finden wird, deren Bild nicht in diesem Spiegel wiederleuchtete.
J.Calvin, Vorrede zum Psalmenkommentar (1557), zit. nach R. Schwarz, Calvins Lebenswerk in seinen Briefen, Bd.2, 1909, 175f.

Ich habe die Nacht einsam hingebracht ... und schließlich ... die Psalmen gelesen, eines der wenigen Bücher, in dem man sich restlos unterbringt, mag man noch so zerstreut und ungeordnet und angefochten sein.
R.M. Rilke, Briefe an seinen Verleger, Leipzig 1934, 247.

Den Psalter lese ich wie seit Jahren täglich, es gibt kein Buch, das ich so kenne und liebe wie dieses.
D. Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, München 1970, 52 (Brief an seine Eltern vom 15.05.1943).

Die absolute Anwesenheit inmitten des Schweigens zu suchen, mitten in der Hoffnung zu verzweifeln, den eigenen Durst jedoch durch ein Übermaß an Verbrennungen zu löschen, und zu verkünden, dass es mir an nichts mangeln wird, wenn ich dem Unsichtbaren als meinem Hirten anvertraut bin -- Abenteuer, Paradox und lyrische Religiosität finden hier, in den Psalmen, ihr Modell und ihren Ausdruck.
E. Lévinas, Außer sich. Meditationen über Religon und Philosophie, München / Wien 1991, 179.


Samstag, 2. Mai 2009

Seelsorge konkret (1): Sharing "Joys and Concerns"


"Freud und Leid", so heißt das Gottesdienstelement, dass sich in vielen amerikanischen "mainline"-Denominationen finden lässt. Der Moderator oder Pfarrer fragt vor der Predigt in die Runde: Gibt es etwas mitzuteilen? Was folgt sind keine ellenlangen Abkündigungen irgendwelcher Gruppenaktivitäten, sondern das Mitteilen konkreter Gebetsanliegen: "Mein Vater liegt im Sterben...", "seit zwei Wochen sind wir Großeltern" - Gründe zur Klage und Fürbitte, aber auch Dankanliegen werden genannt.

Worum es dabei geht, ist mehr als nur der Austausch von Gebetsanliegen, die man sich dann auf seine Gebetsliste schreibt - hier findet Seelsorge statt! Im Gottesdienst, aber auch anschließend beim Kirchencafé, wenn sich Gespräche über die Anliegen ergeben und geschaut wird wie man den Einzelnen helfen kann.

Für das Mitteilen persönlicher Anliegen braucht es einen vertrauten, familiär geprägten Rahmen. Die Umsetzung dieses Gottesdienstelements in den Gottesdiensten der Landeskirche ist darum problematisch und eher in kleineren Gruppen praktikabel. Trotzdem lassen sich aus diesem Phänomen des "sharing" einige Thesen zur Seelsorge ableiten (sie dürfen gerne ergänzt werden...).

a) Seelsorge findet im Kontext der Kirche statt. Dabei verstehe ich Kirche nicht als Ortsbeschreibung, sondern als ein "support system".

b) Der Kirchenraum symbolisiert: Seelsorge geschieht "coram deo" - vor Gott.
c) Seelsorge ist nicht Sache des Pfarrers allein, sondern (Auf-)Gabe der Gemeinde.
d) Seelsorge kann ein Gespräch sein, wir müssen aber aufhören, nur in einem Gespräch Seelsorge zu sehen. Denn neben dem Gespräch bedürfen auch andere Phänomene der Seelsorge der kritischen Reflexion durch die Praktische Theologie.
e) Dadurch das "Joys und Concerns" ihren Platz vor der Predigt haben, wird der enge Zusammenhang zwischen Seelsorge und Verkündigung deutlich. In der Verkündigung wird auf Gott verwiesen, von dem wir Hilfe erwarten können.
f) Das Rechnen der Seelsorge mit dem Eingreifen Gottes konkretisiert sich in der Gebetspraxis der Gemeinde. Inmitten von Ohnmachtserfahrungen rechnet die Gemeinde mit der Allmacht Gottes.

Montag, 27. April 2009

Seelsorgerliche Präsenz

Eberhard Hauschildt und andere haben seit den 90er Jahren zeigen können, dass pastorale Hausbesuche durchaus einen therapeutischen Nutzen haben. Selbst dann, wenn die Gespräche überwiegend aus Small Talk bestehen, enthält der Small Talk oft kurze prägnante Sätze, die bereits heilsam wirken können. Hauschildt spricht von sog. "therapeutischen Sequenzen" (Hauschildt, Alltagsseelsorge - eine sozio-linguistische Analyse des pastoralen Geburtstagbesuches, Göttingen 1996).


Wichtiger als diese durchaus interessante Beobachtung finde ich, dass bei Geburtstagsbesuchen Seelsorger überhaupt erst präsent sind. Beim Hausbesuch überschreiten sie Grenzen, indem sie Menschen besuchen, die nicht selten aus einem anderen Milieu stammen als sie selbst. Dadurch machen sie sich zumindest erstmal ansprechbar. Ansprechbar für religiöse Fragen, aber eben auch persönliche Probleme. Es entsteht ein Raum zur Seelsorge. Beim ersten Kontakt werden sich selten tiefer gehende Gespräche ergeben, aber es entsteht eine Vertrauensbasis, die bei späteren Begegnungen tiefere Gespräche ermöglicht.

Eine andere Form der "seelsorgerlichen Präsenz" begegnet einem in der Krankenhausseelsorge. In der Krankenhausseelsorge wird Wert daraufgelegt, dass die Patienten über die Möglichkeit zur Seelsorge informiert werden. So gibt es vielerorts dreistellige Kurzwahlnummern unter denen ein Seelsorger telefonisch erreichbar ist.

Allein zu wissen, dass jemand für einen da ist, wenn man ihn braucht, kann m.E. bereits seelsorgerlich sein. Paradox formuliert: Seelsorge kann also auch dann Seelsorge sein, wenn sie nicht stattfindet.

Samstag, 25. April 2009

Das Wort zum Sonntag: Zachäus

Als Zachäus hört, dass Jesus in die Stadt kommt, will er dabei sein. Nicht nur er. Alle wollen Jesus sehen. Duzende, Hunderte, Tausende. Menschenmassen umgeben Jesus.

Weil Zachäus klein ist, steigt er auf einen Baum... Nach ganz oben. Von da kann er alles sehen. Von da sieht er Jesus. Aus der Distanz kann er alles genau beobachten. Gebannt hört er Jesus zu.

Plötzlich stoppt Jesus seine Rede. Er schaut nach oben - zu dem Baum. Zachäus schaut nach unten - zu Jesus. Ihre Blicke treffen sich. Jesus sieht Zachäus. Zachäus sieht Jesus.

Das Unglaubliche geschieht. Der große Star ruft den kleinen Mann. Jesus ruft den Sünder Zachäus und sagt zu ihm: "Komm herunter!" - Komm 'runter von deinem hohen Baum. Sei nicht länger ein Zuschauer. Ich will mit Dir reden. Ich will wissen, wer du bist. Wo Du wohnst, wo Du lebst. Was Du glaubst und woran Du zweifelst.

An diesem Tag aßen sie zusammen. Und redeten von Mann zu Mann. Unter vier Augen. Gemeinsam an einem Tisch. Wir wissen nicht, worüber sie geredet haben. Aber wir wissen, dass diese Begegnung Zachäus Leben radikal auf den Kopf stellte. Jesus hatte ihn aus der Masse herausgerufen. Für Zachäus war das der Anfang eines neuen Lebens. Er wollte nicht länger betrügen, sondern alles wieder gut machen.

Die Begegnung zwischen Jesus und Zachäus hat die Menschen so beeindruckt, dass sie bis heute erzählt wird. Es wird berichtet, dass dadurch manche zum Glauben gefunden hätten, weil sie erkannten, dass das ganze Theoriewissen, das sie über Gott haben, nichts zählt, sondern Gott sie in die Gemeinschaft ruft.

"Mit so einem isst Jesus!?" - meinten die Leute. Daraufhin sagt Jesus:
"Ich bin gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren ist."


( nach dem Lukasevangelium, Kapitel 19, Verse 1-10)

Sein wollen wie Gott?

Ich fange gerade an mich mit Pfarrerbildern zu beschäftigen. Wie oder was sollte ein Pfarrer sein?
Was ich bislang gehört und gelesen habe ist zum Verzweifeln:

Führer in das Heilige, Geistlicher Manager, Generalist (=hochbegabter Alleskönner?), Träger der Erinnerung, Repräsentant Gottes (!)... Bei solchen Beschreibungen wird mir ganz schlecht.

Natürlich ist es toll, wenn es uns gelingt, Menschen ins Heilige zu führen und sicher gibt es einem ein erhabenes Gefühl, wenn andere in einem Gott erkennen. Ich werde aber den Verdacht nicht los: Diese Bilder sind brandgefährlich. Mehr oder weniger sichtbar geht es dabei immer um Macht. Einerseits resultieren die Pfarrerbilder in Minderwertigkeitskomplexen der Autoren, die unter dem gefühlten Bedeutungsverlust des Pfarramtes leiden. Und andererseits überfordern sie unsere Pfarrer maßlos mit Ansprüchen, die sie niemals erfüllen können. Diese Bilder vergrößern das Machtstreben, das in jedem Menschen eh schon vorhanden ist. Dabei sagt Jesus doch: "ohne mich könnt ihr nichts tun...".

Vielleicht sollte mal eine Pastoraltheologie geschrieben werden, die nur beschreibt, was der Pfarrer nicht ist... Als eine Art Korrektiv... Eine Pastoraltheologie, die den Vikaren und Pfarrern dieser Welt sagt: Du wirst gebraucht, aber lass dein Machstreben hinter dir und lass Jesus (Pfarr-)Herr der Kirche sein.

Donnerstag, 23. April 2009

Interaktive Bibellektüre

Jesu letzte Worte am Kreuz werden im Lukasevangelium so berichtet:

"Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er."(Lk 23,46)

Im Psalm 31,6 finden sich die gleichen Worte: "In deine Hände befehle ich meinen Geist...". Doch das ist nicht alles. Der Vers geht weiter. Die jüdischen Leserinnen und Leser, die mit dem Psalm vertraut waren, wussten das. Die Fortsetzung lautet:

"...du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott!".

Da mir Ps 31 durch eine wörtliche Vertonung sehr vertraut ist, fiel mir bei meiner Lukaslektüre sofort die Fortsetzung ein: "Du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott", flüsterte ich leise, nachdem ich Jesu Worte gelesen hatte. Diese bekannten Worte wurden zu meinem persönlichen Bekenntnis.

Könnte Lukas diese Antwort seiner Leserinnen und Leser bewusst provoziert haben? Wenn ja, dann wäre das Lukasevangelium das zweite Evangelium, das mit einem Bekenntnis zur Gottheit Jesu schließt (vgl. Thomas, "Mein Herr und mein Gott", Joh 20,28), jedoch ohne dieses explizit zu erwähnen.

Mein Zugang zur Schöpfung(stheologie)


"Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?" (Ps 8)

Kreationismus, Intelligent Design, Evolution? Ich hab keine Ahnung wie Gott die Welt geschaffen hat. Naturwissenschaften waren nie mein Ding. Aber ich glaube, dass Gott die Welt geschaffen hat. Seine Schöpfung bringt mich immer wieder ins Staunen.

Ins Staunen wollen auch die biblischen Texte führen, wenn sie von der Schöpfung erzählen. "Am Anfang schuf Gott..." heißt es da. Und dann geht es los...
Gott macht aus dem Chaos etwas Sinnvolles.
Und aus der Dunkelheit macht er Licht.

Gott erschafft keine Fische (das wäre eine Untertreibung), sondern lässt es nur so wimmeln vor Fischen im Meer... Er schafft Menschen und Tiere, aber nicht nur das: Er gibt ihnen die Möglichkeit zur Fortpflanzung. Er ist ein Lebensspender durch und durch.

Mein Zugang zur Schöpfungstheologie ist also kein naturwissenschaftlicher, sondern ein durch und durch staunend-lobpreisender Zugang.


Sonntag, 19. April 2009

Zur Komplexität moderner Gottesdienste

In den USA lernte ich in der Willow Creek-Gemeinde zum ersten Mal moderne Gottesdienste kennen. Seit den 90er Jahren finden sich auch in Deutschland verstärkt Gottesdienste, die sich besonders an kirchenferne Menschen richten (das sog. "zweite Programm"). Leider habe ich hierzulande selten Gottesdienste erlebt, die in ihrer Attraktivität mit denen in den USA vergleichbar waren. Ich denke, dass die Gründe dafür in dem fehlenden Bewusstsein für die Komplexität moderner Gottesdienste liegen.

Wie kein anderes Gottesdienstformat erfordern moderne Gottesdienste einen extrem hohen Arbeitsaufwand. Deutlicher als anderswo muss im modernen Gottesdienst ein roter Faden klar erkennbar sein, da es sonst leicht zu einer Reizüberflutung kommen kann, bei der man den Gottesdienst zwar 90 Minuten lang aufmerksam verfolgt, aber letztlich nicht viel von dem Gesagten und Erlebten hängen bleibt.

Wer moderne Gottesdienste plant, unterschätzt oft, was die liturgischen Vorgaben für den traditionellen Gottesdienst leisten. Der Wochenspruch, das Motto des Gottesdienstes, der entsprechende Predigttext, die liturgischen Farben des Kirchenjahres, die sorgfältig ausgewählten Liedstrophen mit wiederkehrenden Motiven - all dies ist für Pfarrerinnen und Pfarrer (zumindest als Empfehlung) vorgegeben und eine ungemeine Arbeitserleichterung. Die liturgischen Elemente sorgen im Idealfall dafür, dass der Gottesdienstbesucher den Eindruck eines "abgerundeten" Gottesdienstes bekommt. Das Thema des Gottesdienstes zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Elemente und erleichtert die Konzentration auf das Wesentliche.

In den traditionellen Gottesdiensten ist es die Liturgie, die sich für den roten Faden verbürgt. Der Verzicht auf multimediale Elemente, die Schlichtheit der Liturgie, das Fehlen überraschender Momente -- all das schützt vor Reizüberflutung. Das Problem der anderen Art ist hier: die Gefahr der Langeweile. Darum braucht es auch hier "frische" Elemente, die die Liturgie bereichern. Dies kann etwa durch die Kirchenmusik geschehen. Das Auftreten eines Chores, etc. Oder durch die wöchentliche Kinderpredigt, wie sie in den angelikanischen Kirchen üblich ist. Im Grunde wird aber der rote Faden bleiben.

Moderne Gottesdienste brauchen ebenso wie traditionelle Gottesdienste einen roten Faden mit wiederkehrenden Motiven, die sich um ein und dasselbe Thema kreisen. Verzichtet man auf eine Liturgie, braucht es eine sorgfältig erarbeitete Programmgestaltung ("programming"), deren Aufwand nicht zu unterschätzen ist. Gemeinden wie Willow Creek, die nun in Sachen moderner Gottesdienste ja wahrlich zu den "Profis" gehören, brauchen für die Gottesdienstplanung mehrere Wochen Vorlauf! Ich denke, dass sich ihr Fleiß auszahlt. Nicht jeder hat ein gutes Gespür für diese Aufgabe, darum ist es ratsam ein Programmteam einzusetzen, mit Leuten die speziell dafür begabt sind.

Moderne Gottesdienste können von der Liturgie lernen, den roten Faden im Auge zu behalten. Liturgische Gottesdienste hingegen können von modernen Gottesdiensten lernen, das Überraschende und Spontane zu entdecken, um ihren Gottesdienst zu bereichern.

Mittwoch, 8. April 2009

Lobpreis einmal anders

Es ist eine Eigenart des ersten Buchs der Bibel, dass darin diverse Steigerungen vorkommen. Nach der Erzählung der Genesis erschafft Gott nicht nur die Welt (1. Mose 1,1), sondern fügt ihr das göttliche Prädikat "sehr gut" hinzu (1. Mose 1,31). Er erschafft nicht nur Fische und Landtiere, sondern lässt es vor Tieren nur so wimmeln (1. Mose 1,20). Doch nicht nur das, Gott erschafft nicht nur eine Vielzahl von Tieren, sondern legt in sie das Potenzial zur Fruchtbarkeit (1. Mose 1,22).
Narrativ entfaltet das 1. Buch Mose hier eine Theologie lobpreisenden Charakters, die den Leser über die Größe Gottes staunen lässt. Diese Form der Theologie spiegelt sich auch in der Rede vom "ewigen Bund" wieder (1. Mose 9 und 17). Gott schließt nicht irgendeinen Bund, sondern entscheidet sich dafür, sich für alle Zeit an seine Schöpfung zu binden. Er sichert nicht nur den Fortbestand der Menschheit, sondern segnet sie, damit sie die Erde füllen. Der in der Schöpfungserzählung ausgesprochene Segen gilt nicht nur temporär, sondern für immer. 1. Mose 9 und 17 redet somit von einem Bund, der die Leserinnen und Leser in das Bundesgeschehen mit hineinnimmt, denn: Wenn der Bund Gottes mit Noah und Abraham ewigen Charakters ist, dann gilt er bis zum heutigen Tag.

Vor Deiner Tür


Stell Dir vor, Du bist gerade auf dem Weg zur Vorlesung, da klingelt Dein Handy. Eine sanfte amerikanische Frauenstimme meldet sich: „Barack Obama möchte Sie sprechen, darf ich ihn durchstellen?“ Wahrscheinlich würdest Du ungläubig auflegen.

Jetzt stell Dir einmal vor, es klopft an Deiner Tür. Du hörst eine freundliche Männerstimme sagen: „Ich bin's, Jesus. Lässt Du mich rein?“ Keine Ahnung, wie Du reagieren würdest. Ich zumindest würde denken, ein Verrückter steht vor meiner Tür.

Auch wenn ich an die Sache mit Jesus glaube, ist mir soetwas noch nie passiert und ich bezweifle, dass es irgendjemandem passieren wird. Trotzdem staune ich über diese Worte in der Bibel: „Jesus sagt: Siehe ich stehe vor der Tür und klopfe an...“ (Offenbarung, Kapitel 3, Vers 20).

Für mich bedeutet das soviel wie: „Hey Du, ich hab Interesse an Dir. Du bist mir nicht egal. Du bist mir wichtig. Darum bin ich gekommen. Ich bin Dir näher als Du denkst. Ich steh vor Deiner Tür. Wenn Du willst, bleib ich hier ewig stehen, ich dräng mich nicht auf, aber wenn Du mich in deinem Leben haben möchtest, wenn Du meine Gegenwart erleben willst, wenn Du meine Hilfe brauchst – dann bin ich nur ein Gebet weit entfernt.“