Montag, 27. April 2009

Seelsorgerliche Präsenz

Eberhard Hauschildt und andere haben seit den 90er Jahren zeigen können, dass pastorale Hausbesuche durchaus einen therapeutischen Nutzen haben. Selbst dann, wenn die Gespräche überwiegend aus Small Talk bestehen, enthält der Small Talk oft kurze prägnante Sätze, die bereits heilsam wirken können. Hauschildt spricht von sog. "therapeutischen Sequenzen" (Hauschildt, Alltagsseelsorge - eine sozio-linguistische Analyse des pastoralen Geburtstagbesuches, Göttingen 1996).


Wichtiger als diese durchaus interessante Beobachtung finde ich, dass bei Geburtstagsbesuchen Seelsorger überhaupt erst präsent sind. Beim Hausbesuch überschreiten sie Grenzen, indem sie Menschen besuchen, die nicht selten aus einem anderen Milieu stammen als sie selbst. Dadurch machen sie sich zumindest erstmal ansprechbar. Ansprechbar für religiöse Fragen, aber eben auch persönliche Probleme. Es entsteht ein Raum zur Seelsorge. Beim ersten Kontakt werden sich selten tiefer gehende Gespräche ergeben, aber es entsteht eine Vertrauensbasis, die bei späteren Begegnungen tiefere Gespräche ermöglicht.

Eine andere Form der "seelsorgerlichen Präsenz" begegnet einem in der Krankenhausseelsorge. In der Krankenhausseelsorge wird Wert daraufgelegt, dass die Patienten über die Möglichkeit zur Seelsorge informiert werden. So gibt es vielerorts dreistellige Kurzwahlnummern unter denen ein Seelsorger telefonisch erreichbar ist.

Allein zu wissen, dass jemand für einen da ist, wenn man ihn braucht, kann m.E. bereits seelsorgerlich sein. Paradox formuliert: Seelsorge kann also auch dann Seelsorge sein, wenn sie nicht stattfindet.

Samstag, 25. April 2009

Das Wort zum Sonntag: Zachäus

Als Zachäus hört, dass Jesus in die Stadt kommt, will er dabei sein. Nicht nur er. Alle wollen Jesus sehen. Duzende, Hunderte, Tausende. Menschenmassen umgeben Jesus.

Weil Zachäus klein ist, steigt er auf einen Baum... Nach ganz oben. Von da kann er alles sehen. Von da sieht er Jesus. Aus der Distanz kann er alles genau beobachten. Gebannt hört er Jesus zu.

Plötzlich stoppt Jesus seine Rede. Er schaut nach oben - zu dem Baum. Zachäus schaut nach unten - zu Jesus. Ihre Blicke treffen sich. Jesus sieht Zachäus. Zachäus sieht Jesus.

Das Unglaubliche geschieht. Der große Star ruft den kleinen Mann. Jesus ruft den Sünder Zachäus und sagt zu ihm: "Komm herunter!" - Komm 'runter von deinem hohen Baum. Sei nicht länger ein Zuschauer. Ich will mit Dir reden. Ich will wissen, wer du bist. Wo Du wohnst, wo Du lebst. Was Du glaubst und woran Du zweifelst.

An diesem Tag aßen sie zusammen. Und redeten von Mann zu Mann. Unter vier Augen. Gemeinsam an einem Tisch. Wir wissen nicht, worüber sie geredet haben. Aber wir wissen, dass diese Begegnung Zachäus Leben radikal auf den Kopf stellte. Jesus hatte ihn aus der Masse herausgerufen. Für Zachäus war das der Anfang eines neuen Lebens. Er wollte nicht länger betrügen, sondern alles wieder gut machen.

Die Begegnung zwischen Jesus und Zachäus hat die Menschen so beeindruckt, dass sie bis heute erzählt wird. Es wird berichtet, dass dadurch manche zum Glauben gefunden hätten, weil sie erkannten, dass das ganze Theoriewissen, das sie über Gott haben, nichts zählt, sondern Gott sie in die Gemeinschaft ruft.

"Mit so einem isst Jesus!?" - meinten die Leute. Daraufhin sagt Jesus:
"Ich bin gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren ist."


( nach dem Lukasevangelium, Kapitel 19, Verse 1-10)

Sein wollen wie Gott?

Ich fange gerade an mich mit Pfarrerbildern zu beschäftigen. Wie oder was sollte ein Pfarrer sein?
Was ich bislang gehört und gelesen habe ist zum Verzweifeln:

Führer in das Heilige, Geistlicher Manager, Generalist (=hochbegabter Alleskönner?), Träger der Erinnerung, Repräsentant Gottes (!)... Bei solchen Beschreibungen wird mir ganz schlecht.

Natürlich ist es toll, wenn es uns gelingt, Menschen ins Heilige zu führen und sicher gibt es einem ein erhabenes Gefühl, wenn andere in einem Gott erkennen. Ich werde aber den Verdacht nicht los: Diese Bilder sind brandgefährlich. Mehr oder weniger sichtbar geht es dabei immer um Macht. Einerseits resultieren die Pfarrerbilder in Minderwertigkeitskomplexen der Autoren, die unter dem gefühlten Bedeutungsverlust des Pfarramtes leiden. Und andererseits überfordern sie unsere Pfarrer maßlos mit Ansprüchen, die sie niemals erfüllen können. Diese Bilder vergrößern das Machtstreben, das in jedem Menschen eh schon vorhanden ist. Dabei sagt Jesus doch: "ohne mich könnt ihr nichts tun...".

Vielleicht sollte mal eine Pastoraltheologie geschrieben werden, die nur beschreibt, was der Pfarrer nicht ist... Als eine Art Korrektiv... Eine Pastoraltheologie, die den Vikaren und Pfarrern dieser Welt sagt: Du wirst gebraucht, aber lass dein Machstreben hinter dir und lass Jesus (Pfarr-)Herr der Kirche sein.

Donnerstag, 23. April 2009

Interaktive Bibellektüre

Jesu letzte Worte am Kreuz werden im Lukasevangelium so berichtet:

"Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er."(Lk 23,46)

Im Psalm 31,6 finden sich die gleichen Worte: "In deine Hände befehle ich meinen Geist...". Doch das ist nicht alles. Der Vers geht weiter. Die jüdischen Leserinnen und Leser, die mit dem Psalm vertraut waren, wussten das. Die Fortsetzung lautet:

"...du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott!".

Da mir Ps 31 durch eine wörtliche Vertonung sehr vertraut ist, fiel mir bei meiner Lukaslektüre sofort die Fortsetzung ein: "Du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott", flüsterte ich leise, nachdem ich Jesu Worte gelesen hatte. Diese bekannten Worte wurden zu meinem persönlichen Bekenntnis.

Könnte Lukas diese Antwort seiner Leserinnen und Leser bewusst provoziert haben? Wenn ja, dann wäre das Lukasevangelium das zweite Evangelium, das mit einem Bekenntnis zur Gottheit Jesu schließt (vgl. Thomas, "Mein Herr und mein Gott", Joh 20,28), jedoch ohne dieses explizit zu erwähnen.

Mein Zugang zur Schöpfung(stheologie)


"Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?" (Ps 8)

Kreationismus, Intelligent Design, Evolution? Ich hab keine Ahnung wie Gott die Welt geschaffen hat. Naturwissenschaften waren nie mein Ding. Aber ich glaube, dass Gott die Welt geschaffen hat. Seine Schöpfung bringt mich immer wieder ins Staunen.

Ins Staunen wollen auch die biblischen Texte führen, wenn sie von der Schöpfung erzählen. "Am Anfang schuf Gott..." heißt es da. Und dann geht es los...
Gott macht aus dem Chaos etwas Sinnvolles.
Und aus der Dunkelheit macht er Licht.

Gott erschafft keine Fische (das wäre eine Untertreibung), sondern lässt es nur so wimmeln vor Fischen im Meer... Er schafft Menschen und Tiere, aber nicht nur das: Er gibt ihnen die Möglichkeit zur Fortpflanzung. Er ist ein Lebensspender durch und durch.

Mein Zugang zur Schöpfungstheologie ist also kein naturwissenschaftlicher, sondern ein durch und durch staunend-lobpreisender Zugang.


Sonntag, 19. April 2009

Zur Komplexität moderner Gottesdienste

In den USA lernte ich in der Willow Creek-Gemeinde zum ersten Mal moderne Gottesdienste kennen. Seit den 90er Jahren finden sich auch in Deutschland verstärkt Gottesdienste, die sich besonders an kirchenferne Menschen richten (das sog. "zweite Programm"). Leider habe ich hierzulande selten Gottesdienste erlebt, die in ihrer Attraktivität mit denen in den USA vergleichbar waren. Ich denke, dass die Gründe dafür in dem fehlenden Bewusstsein für die Komplexität moderner Gottesdienste liegen.

Wie kein anderes Gottesdienstformat erfordern moderne Gottesdienste einen extrem hohen Arbeitsaufwand. Deutlicher als anderswo muss im modernen Gottesdienst ein roter Faden klar erkennbar sein, da es sonst leicht zu einer Reizüberflutung kommen kann, bei der man den Gottesdienst zwar 90 Minuten lang aufmerksam verfolgt, aber letztlich nicht viel von dem Gesagten und Erlebten hängen bleibt.

Wer moderne Gottesdienste plant, unterschätzt oft, was die liturgischen Vorgaben für den traditionellen Gottesdienst leisten. Der Wochenspruch, das Motto des Gottesdienstes, der entsprechende Predigttext, die liturgischen Farben des Kirchenjahres, die sorgfältig ausgewählten Liedstrophen mit wiederkehrenden Motiven - all dies ist für Pfarrerinnen und Pfarrer (zumindest als Empfehlung) vorgegeben und eine ungemeine Arbeitserleichterung. Die liturgischen Elemente sorgen im Idealfall dafür, dass der Gottesdienstbesucher den Eindruck eines "abgerundeten" Gottesdienstes bekommt. Das Thema des Gottesdienstes zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Elemente und erleichtert die Konzentration auf das Wesentliche.

In den traditionellen Gottesdiensten ist es die Liturgie, die sich für den roten Faden verbürgt. Der Verzicht auf multimediale Elemente, die Schlichtheit der Liturgie, das Fehlen überraschender Momente -- all das schützt vor Reizüberflutung. Das Problem der anderen Art ist hier: die Gefahr der Langeweile. Darum braucht es auch hier "frische" Elemente, die die Liturgie bereichern. Dies kann etwa durch die Kirchenmusik geschehen. Das Auftreten eines Chores, etc. Oder durch die wöchentliche Kinderpredigt, wie sie in den angelikanischen Kirchen üblich ist. Im Grunde wird aber der rote Faden bleiben.

Moderne Gottesdienste brauchen ebenso wie traditionelle Gottesdienste einen roten Faden mit wiederkehrenden Motiven, die sich um ein und dasselbe Thema kreisen. Verzichtet man auf eine Liturgie, braucht es eine sorgfältig erarbeitete Programmgestaltung ("programming"), deren Aufwand nicht zu unterschätzen ist. Gemeinden wie Willow Creek, die nun in Sachen moderner Gottesdienste ja wahrlich zu den "Profis" gehören, brauchen für die Gottesdienstplanung mehrere Wochen Vorlauf! Ich denke, dass sich ihr Fleiß auszahlt. Nicht jeder hat ein gutes Gespür für diese Aufgabe, darum ist es ratsam ein Programmteam einzusetzen, mit Leuten die speziell dafür begabt sind.

Moderne Gottesdienste können von der Liturgie lernen, den roten Faden im Auge zu behalten. Liturgische Gottesdienste hingegen können von modernen Gottesdiensten lernen, das Überraschende und Spontane zu entdecken, um ihren Gottesdienst zu bereichern.

Mittwoch, 8. April 2009

Lobpreis einmal anders

Es ist eine Eigenart des ersten Buchs der Bibel, dass darin diverse Steigerungen vorkommen. Nach der Erzählung der Genesis erschafft Gott nicht nur die Welt (1. Mose 1,1), sondern fügt ihr das göttliche Prädikat "sehr gut" hinzu (1. Mose 1,31). Er erschafft nicht nur Fische und Landtiere, sondern lässt es vor Tieren nur so wimmeln (1. Mose 1,20). Doch nicht nur das, Gott erschafft nicht nur eine Vielzahl von Tieren, sondern legt in sie das Potenzial zur Fruchtbarkeit (1. Mose 1,22).
Narrativ entfaltet das 1. Buch Mose hier eine Theologie lobpreisenden Charakters, die den Leser über die Größe Gottes staunen lässt. Diese Form der Theologie spiegelt sich auch in der Rede vom "ewigen Bund" wieder (1. Mose 9 und 17). Gott schließt nicht irgendeinen Bund, sondern entscheidet sich dafür, sich für alle Zeit an seine Schöpfung zu binden. Er sichert nicht nur den Fortbestand der Menschheit, sondern segnet sie, damit sie die Erde füllen. Der in der Schöpfungserzählung ausgesprochene Segen gilt nicht nur temporär, sondern für immer. 1. Mose 9 und 17 redet somit von einem Bund, der die Leserinnen und Leser in das Bundesgeschehen mit hineinnimmt, denn: Wenn der Bund Gottes mit Noah und Abraham ewigen Charakters ist, dann gilt er bis zum heutigen Tag.

Vor Deiner Tür


Stell Dir vor, Du bist gerade auf dem Weg zur Vorlesung, da klingelt Dein Handy. Eine sanfte amerikanische Frauenstimme meldet sich: „Barack Obama möchte Sie sprechen, darf ich ihn durchstellen?“ Wahrscheinlich würdest Du ungläubig auflegen.

Jetzt stell Dir einmal vor, es klopft an Deiner Tür. Du hörst eine freundliche Männerstimme sagen: „Ich bin's, Jesus. Lässt Du mich rein?“ Keine Ahnung, wie Du reagieren würdest. Ich zumindest würde denken, ein Verrückter steht vor meiner Tür.

Auch wenn ich an die Sache mit Jesus glaube, ist mir soetwas noch nie passiert und ich bezweifle, dass es irgendjemandem passieren wird. Trotzdem staune ich über diese Worte in der Bibel: „Jesus sagt: Siehe ich stehe vor der Tür und klopfe an...“ (Offenbarung, Kapitel 3, Vers 20).

Für mich bedeutet das soviel wie: „Hey Du, ich hab Interesse an Dir. Du bist mir nicht egal. Du bist mir wichtig. Darum bin ich gekommen. Ich bin Dir näher als Du denkst. Ich steh vor Deiner Tür. Wenn Du willst, bleib ich hier ewig stehen, ich dräng mich nicht auf, aber wenn Du mich in deinem Leben haben möchtest, wenn Du meine Gegenwart erleben willst, wenn Du meine Hilfe brauchst – dann bin ich nur ein Gebet weit entfernt.“